Digitale Transformation – Es gilt, eine solide strategische Planung und eine pragmatische, etappierte Umsetzung miteinander zu verbinden.
Dass die Digitalisierung von Arbeitsprozessen die überwiegende Mehrheit der Unternehmen betrifft, hat sich herumgesprochen. Beispiele, wie Firmen ihre Geschäftsabläufe mit digitalen Lösungen automatisieren, vereinfachen, beschleunigen und effizienter gestalten, gibt es mittlerweile viele. In der Gesamtbetrachtung stellt man aber grosse Unterschiede fest. Während einzelne Branchen und Unternehmen schon weit fortgeschritten sind, gibt es andere, die immer noch zögern. Sie wissen oft nicht recht, wie sie das Thema angehen sollen und wo ihre Chancen liegen.
Richtige Fragen stellen
Der Weg zum Erfolg beginnt, indem man sich auf die wesentlichen Fragen konzentriert. Es gilt, im Dickicht von Schlagworten und Hörensagen ein Verständnis für die relevanten Aspekte und die zielführenden Optionen zu entwickeln – und dann die richtigen Schlüsse für das eigene Unternehmen zu ziehen. Sechs Fragen stehen dabei im Zentrum:
- Welche unternehmerischen Ziele stehen im Vordergrund? Wo liegt für ein Unternehmen das grösste Potenzial, um auf lange Sicht Mehrwert zu schaffen und die Effizienz zu steigern? Wo stehen die Mitbewerber? Welchen (Zusatz-)Nutzen sollen die Kunden erfahren? Was bringt die Firma aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorwärts?
- Wie steht es um die digitale Bereitschaft der Mitarbeitenden? Die digitale Transformation der Arbeitsprozesse beginnt im Kopf und von innen heraus. Wandel und neue Blickwinkel kann man nicht verordnen. Gerade in kleineren Organisationen ist die Haltung der Beteiligten ausschlaggebend. Deshalb ist es wichtig, die Mitarbeitenden früh in den Prozess einzubinden und zu sensibilisieren, vorhandene Stärken zu nutzen und allfällige Wissenslücken oder Widerstände zu überwinden.
- Was für Grundprozesse hat unser Unternehmen? Welche davon lassen sich in einem System aufzeichnen und/oder sogar verändern? Das geht vom vermeintlich banalen Postdienst bis hin zum Erstellen eines aussagekräftigen monatlichen Finanz-Reportings. Dieser Themenkreis ist anspruchsvoll und kann vor allem bei KMU nur in Teilschritten und mit Unterstützung von Dritten, die strategisches Denken, Prozess-Knowhow und eine externe Sichtweise einbringen, bewältigt werden.
- Wo stehen wir mit unserer IT- und Softwareumgebung? Wie sind die verschiedenen Arbeitsprozesse heute miteinander verknüpft? Wo liegen Fehlerquellen, wo entstehen Reibungsverluste, wo schlummert zusätzliches Potenzial? Welche Informations- und Kommunikationssysteme stehen im Einsatz? In welchem Ausmass werden allenfalls schon ERP-Systeme genutzt, um die Wertschöpfungskette zu kontrollieren und zu steuern?
- Wo setzen wir die Prioritäten und wo fangen wir an? In der Planung braucht es die nachhaltige Perspektive – eine Vision, die auf das langfristige Gedeihen der Firma in einem kompetitiven Umfeld ausgerichtet ist. Gleichzeitig muss eine rasche Umsetzbarkeit sichergestellt sein. Es ist hilfreich, ja zwingend, den Transformationsprozess in Etappen einzuteilen, die bald angepackt und dann schrittweise umgesetzt werden können.
- Welche technische Lösung ist die richtige? Die Auseinandersetzung mit Zielen, Arbeitsprozessen, Prioritäten und Etappen mündet in der Suche nach dem richtigen Anbieter beziehungsweise nach dem geeigneten technischen System. Ein zentraler Erfolgsfaktor hierbei ist ein strukturiertes, detailliertes Anforderungsprofil. Es hält die sachlichen Ansprüche und die Prioritäten fest und vereinfacht die Evaluation der passenden Lösung erheblich. Das ist umso wichtiger, weil die Anzahl der Anbieter und der Lösungen gross ist.
Es empfiehlt sich, für eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit den sechs skizzierten Fragen Experten beizuziehen: Spezialisten, die sich einerseits mit den harten Fakten auskennen (Betriebswirtschaft, Prozesse, IT- und ERP-Systeme), aber auch die weichen, die menschlichen Faktoren einbeziehen, die in jedem Transformationsprozess eine wichtige Rolle spielen.
Bewährte Ansätze
Wenn es um Veränderungen geht, ist jedes Unternehmen einzigartig. Das gilt auch für die digitale Transformation. Aber bei aller Unterschiedlichkeit bewähren sich in der Praxis bestimmte Ansätze, an denen man sich orientieren kann, wenn die Reise in die digitalisierte Arbeitswelt ein Erfolg werden soll. Der wichtigste dieser Ansätze: An erster Stelle steht immer der Faktor Mensch. Deshalb gehört die Frage nach der digitalen Affinität und nach der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden früh auf den Tisch. Genauso wichtig ist diesbezüglich die Kundenseite. Es ist relevant zu wissen, wie die Kunden zur Digitalisierung stehen und was ihre Erwartungen (oder Befürchtungen) sind.
Sind sie beispielsweise schon bereit, auf digitale Lösungen wie ein Kundenportal zu wechseln? Das Risiko, an den Kundenbedürfnissen oder -befindlichkeiten vorbeizuplanen, besteht durchaus. Erst wenn die prioritären Themenbereiche – Mensch und Prozesse – geklärt sind, kommen die Tools ins Spiel, also die Software. Wer eine bestimmte Software als Ausgangspunkt nimmt, zäumt das Pferd von hinten auf. Grundsätzlich empfiehlt sich für KMU, bewährte und standardisierte Lösungen zu wählen. Aber auch bei der Beurteilung der Verkaufsversprechen, die man als interessiertes Unternehmen von den verschiedenen Anbietern hört, gehört eine erfahrene (externe) Fachperson mit an den Tisch. Ob man ein System wählt, das präzise zu den formulierten Anforderungen und Rahmenbedingungen passt oder nur so ungefähr, macht in der Implementierung einen entscheidenden Unterschied.
Interviewpartner:
Boris Blaser
Vorstandsmitglied des Schweizerischen Treuhänderverbands TREUHAND|SUISSE, SektionZürich und Leiter INSTITUT TREUHAND 4.0